Plattformökonomie im Immobilienmarkt: Wie Winner-takes-all-Effekte die Branche verändern

Plattformökonomie im Immobilienmarkt: Wie Winner-takes-all-Effekte die Branche verändern
14 Dezember 2025 0 Kommentare Ronny Gunnarsson

Im Immobilienmarkt läuft etwas, das viele noch nicht richtig sehen. Es geht nicht um neue Baustile oder teurere Wohnungen. Es geht um eine grundlegende Umstellung: Wie Menschen Immobilien finden, kaufen, vermieten, verwalten und investieren, wird von digitalen Plattformen neu definiert. Und diese Plattformen haben eine besondere Kraft: Sie wachsen schneller, je mehr Menschen sie nutzen. Das ist der Kern der Plattformökonomie. Und sie könnte den Immobilienmarkt so verändern, wie Amazon den Einzelhandel oder Airbnb den Tourismus - mit Winner-takes-all-Effekten.

Was ist Plattformökonomie wirklich?

< p>Plattformökonomie bedeutet nicht einfach eine Website, auf der Wohnungen angeboten werden. Das ist nur ein Portal. Eine echte Plattform verbindet mindestens zwei Gruppen, die voneinander abhängen: Mieter und Vermieter, Investoren und Projektentwickler, Handwerker und Hausbesitzer. Jeder neue Nutzer macht die Plattform für alle anderen attraktiver. Das ist der Netzwerkeffekt. Je mehr Mieter auf einer Plattform suchen, desto mehr Vermieter bringen ihre Wohnungen dort an. Und je mehr Angebote es gibt, desto mehr Mieter kommen. Ein Kreislauf, der sich selbst verstärkt.

Diese Dynamik gibt es in anderen Branchen schon lange. Bei Amazon kaufen immer mehr Kunden, also kommen immer mehr Verkäufer. Bei Facebook sehen immer mehr Menschen Inhalte, also bringen immer mehr Nutzer neue Beiträge. Im Immobilienmarkt ist das anders. Hier ist die Digitalisierung noch in den Anfängen. Viele Plattformen sind nur digitale Ausgaben der alten Maklerbüros. Sie zeigen Immobilien an, aber sie verbinden nicht wirklich. Sie schaffen keine neuen Märkte. Sie verwalten nur alte Prozesse.

Warum gibt es noch keine klaren Gewinner

In Deutschland gibt es über 120 digitale Plattformen für Immobilien. Keine davon hat mehr als 15 Prozent Marktanteil. Das ist ungewöhnlich. In der Reisebranche kontrolliert Booking.com fast die Hälfte des Marktes. In der Lieferung ist Lieferando der Dominator. Warum nicht im Immobilienmarkt?

Ein Grund ist die Komplexität. Eine Wohnung ist kein Buch, das man klickt und bekommt. Sie hat eine Adresse, einen Zustand, eine rechtliche Situation, einen Mieter, eine Heizung, eine Abrechnung. Das alles muss zusammenpassen. Plattformen, die nur die Suche abdecken, wie ImmobilienScout24, sind gut - aber sie lösen nicht das Problem der Verwaltung. Wer will schon zehn verschiedene Apps für Mietvertrag, Reparatur, Stromzählerablesung und Steuererklärung nutzen?

Deshalb entstehen neue Typen. Plattformen der dritten Generation versuchen, alles in einer App zu vereinen: Suche, Vertrag, Zahlung, Wartung, Energieverbrauch, Investition. Die Plattform facilioo von ista zum Beispiel verbindet Hausverwaltung, Smart-Meter-Daten und Handwerkertermine. Das ist der nächste Schritt. Aber solche Systeme brauchen Zeit. Sie brauchen Integrationen mit bestehenden Softwarelösungen, Schulungen für Nutzer, Anpassungen an die DSGVO und die Maklerrechtsvorschriften.

Netzwerk aus verbundenen Knoten, die Mieter, Vermieter und Investoren über eine zentrale Plattform verbinden.

Die ersten Winner-takes-all-Anzeichen

Obwohl der Markt fragmentiert ist, zeigen sich erste Anzeichen für Konzentration - besonders bei digitalen Investitionen. Plattformen wie Exporo, Bergfürst oder PROPVEST erlauben es kleinen Anlegern, ab 500 Euro in Immobilienprojekte zu investieren. Hier gilt: Je mehr Anleger auf einer Plattform sind, desto mehr Projekte kommen. Und je mehr Projekte, desto mehr Anleger. Das ist ein klassischer Netzwerkeffekt.

Exporo ist der Marktführer in Deutschland. Aber selbst der hat nur weniger als 10 Prozent der verfügbaren Projekte in seinem Angebot. Das bedeutet: Es ist noch nicht zu spät. Aber die Dynamik ist da. Im Jahr 2020 wurden über 255 Millionen Euro über solche Plattformen investiert. 2023 waren es deutlich mehr. Die Zahlen wachsen. Und mit ihnen die Erwartungen. Wer hier nicht mitmacht, verliert Zugang zu Kapital.

Auch bei Co-Working-Plattformen wie WeWork sieht man, wie schnell ein Modell scheitern kann - und wie stark es sein kann, wenn es funktioniert. WeWork stürzte nach seinem Börsengang 2019 um über 80 Prozent ab. Aber das ist kein Grund, das Konzept zu verwerfen. Es zeigt nur: Plattformen, die nur eine Seite des Marktes bedienen, scheitern. WeWork hat Mieter angezogen, aber nicht genug Kapital und nicht genug Flexibilität geboten. Eine echte Plattform muss alle Seiten bedienen: Mieter, Investoren, Gebäudebetreiber, Energieanbieter.

Wer profitiert - und wer verliert?

Die großen Immobilienkonzerne mit mehr als 10.000 Wohnungen nutzen digitale Plattformen bereits zu 82 Prozent. Sie haben die Ressourcen, die Technik zu integrieren, die Daten zu sammeln, die Prozesse zu automatisieren. Sie nutzen KI, um den Energieverbrauch vorherzusagen, die Reparaturbedarfe zu planen, die Mietpreise dynamisch anzupassen.

Die kleinen Vermieter mit nur 200 oder 500 Wohnungen dagegen? Nur 28 Prozent nutzen solche Systeme. Warum? Weil die Lernkurve steil ist. Es dauert zwei bis drei Monate, bis man die grundlegenden Funktionen versteht. Sechs Monate, bis man die Analysetools wirklich nutzt. Und die Dokumentation? 78 Prozent der mittelständischen Unternehmen sagen: Die Handbücher sind nicht auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten. Sie sind für Großkonzerne geschrieben.

Dann gibt es noch die Kosten. Die Plattformgebühren bei ImmobilienScout24 sind in den letzten fünf Jahren um 35 Prozent gestiegen. Für einen kleinen Makler ist das ein schwerer Schlag. Er muss mehr verkaufen, um das gleiche Einkommen zu haben. Gleichzeitig wird er von großen Plattformen mit besseren Daten und günstigeren Preisen unter Druck gesetzt.

Die Nutzererfahrungen sind gemischt. Auf Trustpilot hat Exporo eine durchschnittliche Bewertung von 4,3 von 5 Sternen. Die Benutzerfreundlichkeit und die niedrigen Einstiegsbeträge werden gelobt. Aber viele kritisieren: Die Auswahl an Projekten ist zu klein. Die Antwortzeiten beim Support liegen bei durchschnittlich 4,2 Stunden - aber manche Nutzer warten bis zu 48 Stunden. Das ist kein Vertrauen. Das ist eine Baustelle.

Drei führende Immobilienplattformen über einer deutschen Stadt, deren Datenströme in eine KI-Zentrale fließen.

Was kommt als Nächstes?

Die Branche steht an einem Scheideweg. Entweder bleibt sie fragmentiert - mit 100 kleinen Plattformen, die alle etwas anderes tun, aber niemandes Problem wirklich lösen. Oder sie konzentriert sich. Und zwar schnell.

Im Jahr 2023 haben sich bereits Immofred und Realconnex zusammengeschlossen. facilioo hat eine Partnerschaft mit ista geschlossen, um eine offene Plattform für die gesamte Immobilienwirtschaft zu bauen. Das sind keine Zufälle. Das sind strategische Züge. Die großen Player versuchen, die Netzwerkeffekte zu nutzen, bevor sie jemand anderem entgleiten.

Bis 2025 prognostizieren Experten, dass maximal drei bis fünf Plattformen jeweils mehr als 20 Prozent Marktanteil haben könnten. Diese Plattformen werden nicht nur Vermietungen vermitteln. Sie werden Daten sammeln - über Energieverbrauch, Reparaturhäufigkeit, Mieterzufriedenheit, Zahlungsverhalten. Sie werden diese Daten mit KI analysieren und daraus neue Dienste ableiten: Versicherungen, Finanzprodukte, Wartungsverträge, sogar Wohnraum-Design-Empfehlungen.

Das ist der wahre Gewinn: Plattformen, die nicht nur vermitteln, sondern auch wertschöpfen. Sie werden nicht nur Vermieter und Mieter verbinden. Sie werden die ganze Wertschöpfungskette umfassen. Und wer dann nicht dabei ist, wird zum Zuschauer.

Was bedeutet das für dich?

Wenn du Vermieter bist: Du musst nicht alles selbst digitalisieren. Aber du musst wählen. Welche Plattform hilft dir wirklich? Die mit den niedrigsten Gebühren? Die mit den meisten Nutzern? Die mit den besten Tools für die Verwaltung? Du kannst nicht mehr nur auf ImmobilienScout24 setzen. Du musst verstehen, wie die Plattform deine Daten nutzt, wie sie deine Miete beeinflusst, wie sie deine Kosten verändert.

Wenn du Investor bist: Digitalisierung ist kein Trend. Sie ist deine neue Anlageklasse. Plattformen wie Exporo sind keine Spekulation. Sie sind eine neue Art, in Immobilien zu investieren - mit geringem Kapital, transparenten Daten und automatisierter Abrechnung. Aber du musst prüfen: Wie sicher sind die Projekte? Wie transparent ist die Reporting-Struktur? Wie gut ist der Support?

Wenn du Immobilienmakler bist: Dein Geschäftsmodell verändert sich. Du wirst nicht mehr nur vermitteln. Du wirst beraten. Du wirst erklären, welche Plattform für welchen Kunden die richtige ist. Du wirst Daten lesen und interpretieren. Wer das nicht kann, wird überflüssig.

Die Plattformökonomie im Immobilienmarkt ist noch nicht voll da. Aber sie kommt. Und sie wird nicht sanft sein. Wer jetzt nicht lernt, wer jetzt nicht wählt, wer jetzt nicht anpasst - der wird später nur noch fragen: Warum hat das niemand gesagt?