Progressionsvorbehalt bei ausländischen Mieteinnahmen - So vermeiden Sie doppelte Steuerbelastung
Sie vermieten eine Wohnung in Kroatien, kaufen ein Haus in der Türkei oder besitzen ein Ferienapartment in Spanien - und plötzlich erscheint im Steuerbescheid ein höherer Steuersatz, obwohl die Mieteinnahmen laut Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) steuerfrei sind. Der Grund? Der Progressionsvorbehalt. In diesem Beitrag erkläre ich, was der Progressionsvorbehalt ist, für welche Auslandsmieten er gilt und wie Sie die unbeabsichtigte Doppelbelastung verhindern.
Was ist der Progressionsvorbehalt?
Progressionsvorbehalt ist ein steuerrechtlicher Mechanismus, der in § 32b des Einkommensteuergesetzes (EStG) geregelt ist. Er bewirkt, dass bestimmte steuerfreie Einkünfte - zum Beispiel ausländische Mieteinnahmen, die nach einem DBA nicht zu besteuern sind - bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens fiktiv hinzugerechnet werden. Der Ergebnis‑Steuersatz gilt dann für das tatsächlich zu versteuernde Einkommen. Ziel ist, dass Steuerpflichtige mit steuerfreien Anteilen nicht in einen niedrigeren Durchschnittssteuersatz rutschen als Steuerpflichtige ohne solche Anteile.
Wie wirkt der Vorbehalt bei ausländischen Mieteinkünften?
Die ausländische Mieteinkünfte gelten nach einem DBA in der Regel als im Ausland besteuert und sind in Deutschland steuerfrei. Trotzdem muss das Finanzamt sie im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigen. Technisch erfolgt das so:
- Die Mieteinnahmen werden in der Anlage AUS der Einkommensteuererklärung angegeben, wobei das Feld "steuerfrei" markiert wird.
- Das Finanzamt addiert die angegebenen Beträge zum zu versteuernden Einkommen, ermittelt daraus den neuen Steuersatz und wendet diesen dann ausschließlich auf das in‑Deutschland zu versteuernde Einkommen an.
- Der Unterschied zwischen dem alten und dem neuen Steuersatz ist die eigentliche Mehrbelastung, obwohl die ausländischen Einkünfte selbst nicht besteuert wurden.
Ein Bundesfinanzhof‑Urteil vom 21. Mai 2022 (I R 5/22) hat bestätigt, dass der Vorbehalt grundsätzlich greift, sofern keine gesetzliche Ausnahme besteht.
Ausnahmen: EU‑/EWR‑Länder und die Sonderrolle Spaniens
Seit einer Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen vom 24. Juni 2009 (BStBl I 2009, 881) gilt:
- Für Mieteinkünfte aus Immobilien in EU‑ oder EWR‑Ländern - mit Ausnahme von Spanien - entfällt der Progressionsvorbehalt.
- Für Immobilien außerhalb der EU/EWR greift der Vorbehalt in voller Höhe.
- Spanien bleibt wegen eines unveränderten DBA von 1977 ein Sonderfall: Hier wird der Vorbehalt weiterhin angewendet.
Die aktuelle Rechtslage schafft also klare Planungssicherheit für EU‑EWR‑Immobilien, während Immobilien in der Schweiz, Norwegen (EWR‑Ausnahme), der Türkei oder den USA nach wie vor den Vorbehalt auslösen.
Rechenbeispiel - Wie hoch kann die Mehrbelastung werden?
Stellen Sie sich folgendes Szenario vor:
- Zu versteuerndes Einkommen aus deutschen Quellen: 50.000 €
- Ausländische Mieteinnahmen aus einer Wohnung in der Türkei: 10.000 € (steuerfrei nach DBA)
Ohne Progressionsvorbehalt würde Ihr Grenzsteuersatz etwa 30 % betragen, also 15.000 € Steuer. Mit dem Vorbehalt steigt der fiktive Gesamteinkommen auf 60.000 €, wodurch der Grenzsteuersatz auf ca. 33,5 % ansteigt. Die Steuer auf das deutsche Einkommen beträgt dann 16.750 €, also eine Mehrbelastung von 1.750 € - das entspricht einem Anstieg des Steuersatzes um 3,5 Prozentpunkte.
Der Bundesfinanzhof nennt in seiner Statistik, dass bei einem zu versteuernden Einkommen von 50.000 € und 10.000 € ausländischer Miete die durchschnittliche Mehrbelastung rund 350 € beträgt - ein realistisch niedrigeres Beispiel, weil die individuelle Progression von Einkommen zu Einkommen variiert.
Praktische Checkliste: So vermeiden Sie die doppelte Belastung
- Länderzuordnung prüfen: Nutzen Sie den interaktiven Ländercheck des Bundesfinanzministeriums (Stand 2023), um sofort zu sehen, ob für das jeweilige Land ein Progressionsvorbehalt gilt.
- DBA‑Detail studieren: Lesen Sie das aktuelle DBA zwischen Deutschland und dem jeweiligen Staat. Achten Sie besonders auf Art‑Klauseln zu Mieteinkünften.
- Anlage AUS korrekt ausfüllen: Geben Sie die ausländischen Mieteinnahmen immer an, selbst wenn sie steuerfrei sind. Markieren Sie das Feld "keine deutsche Steuer".
- Ausnahme für EU/EWR prüfen: Wenn die Immobilie in einem EU‑ oder EWR‑Land liegt (außer Spanien), können Sie das Feld "Progressionsvorbehalt nicht anwendbar" ankreuzen - nur wenn das BMF‑Schreiben 2009 dies bestätigt.
- Steuerberater einbeziehen: Gerade bei Nicht‑EU‑Immobilien empfiehlt sich professionelle Hilfe. Die durchschnittlichen Beratungskosten betragen 285 € pro Jahr (2023).
- Fristen beachten: Die Angabe muss in der Steuererklärung für das Jahr erfolgen, in dem die Mieteinnahmen erzielt wurden. Verspätete Angaben führen zu Säumniszuschlägen.
- Steuerliche Optimierung prüfen: In manchen Fällen kann ein „Verzicht auf den Progressionsvorbehalt“ beantragt werden, wenn die zusätzliche Steuerlast unverhältnismäßig hoch wäre - ein Ansatz, der jedoch individuell geprüft werden muss.
Beratung und Hilfsmittel
Mehrere Institutionen bieten unterstützende Materialien:
- Bundesministerium der Finanzen: BMF‑Schreiben vom 11. Februar 2021 (IV C 4 ‑ S 2284/19/10003 :001) mit Musterfällen.
- Online‑Steuerhilfe der Bundessteuerberaterkammer: Monatlich 7.500 Anfragen zu Progressionsvorbehalt, schnelle Antworten per Chat.
- Steuerkanzlei‑Portal steuerkanzlei.de: Forumbeiträge von Nutzern wie "Mietinvestor2023" (Polen, keine Mehrbelastung) und "SpainPropertyOwner" (Spanien, 2,3 % Mehrbelastung).
- Externe Expertenmeinungen: Prof. Dr. Wolfgang Kilgus (Universität Mannheim) und Dr. Thomas Dörfler (Fachanwalt) betonen beide, dass der Vorbehalt notwendig ist, aber die spanische Sonderregelung reformbedürftig ist.
Ausblick: Harmonisierung und mögliche Reformen
Der Europäische Gerichtshof hat im November 2022 (C‑456/21) festgestellt, dass die Sonderbehandlung Spaniens möglicherweise gegen EU‑Recht verstößt. Das Bundesministerium der Finanzen plant bereits 2023 eine Überarbeitung des deutsch‑spanischen DBA - eine Umsetzung könnte 2025 erfolgen.
Auf globaler Ebene arbeitet die OECD im Rahmen von Pillar Two an einer Grundüberarbeitung der internationalen Besteuerungsregeln. Experten wie Prof. Dr. Sabine Pfeiffer (Universität zu Köln) gehen davon aus, dass der Progressionsvorbehalt für EU‑Länder bis 2030 schrittweise abgeschafft wird, während für Drittstaaten eine modifizierte Regelung erhalten bleibt.
Für deutsche Steuerpflichtige bedeutet das: Kurzfristig sollten Sie die aktuelle EU/EWR‑Ausnahme nutzen, länderspezifische Besonderheiten (wie Spanien) genau prüfen und im Zweifelsfall rechtzeitig steuerliche Beratung einholen. Langfristig wird die Rechtslage wahrscheinlich vereinfachter - ein gutes Timing, um jetzt mit klarem Vorgehen eventuelle Mehrbelastungen zu vermeiden.
FAQ - Häufige Fragen zum Progressionsvorbehalt bei Auslandsmieten
Wie wird der Progressionsvorbehalt in der Steuererklärung eingetragen?
Die ausländischen Mieteinkünfte werden in der Anlage AUS angegeben. Dort wird das Feld "Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Ausland" ausgefüllt und - je nach Land - das Kästchen für "Progressionsvorbehalt nicht anzuwenden" markiert.
Gilt der Vorbehalt auch für kurzfristige Vermietungen (z. B. Airbnb) im EU‑Raum?
Ja, solange die Einnahmen als Mieteinnahmen im Sinne des DBA gelten. Für EU‑ und EWR‑Länder (außer Spanien) entfällt jedoch der Vorbehalt, sodass keine Steuermehrbelastung entsteht.
Warum wird Spanien gesondert behandelt?
Das deutsch‑spanische DBA von 1977 enthält keine Klausel, die den Progressionsvorbehalt ausschließt. Trotz EU‑Mitgliedschaft bleibt daher die Sonderregelung bestehen, bis das DBA neu verhandelt wird.
Wie hoch ist die durchschnittliche Mehrbelastung bei Nicht‑EU‑Immobilien?
Studien der Kanzlei GKS (2023) zeigen eine durchschnittliche Erhöhung des Steuersatzes um 2,8 % - das kann je nach persönlichem Einkommen stark variieren.
Kann man den Progressionsvorbehalt komplett vermeiden?
Nur, wenn die Immobilie in einem EU‑ oder EWR‑Land liegt (außer Spanien) oder wenn ein spezieller Befreiungsantrag beim Finanzamt erfolgreich ist. In anderen Fällen lässt sich die Belastung lediglich durch präzise Planung und Beratung mindern.
Vergleich: Progressionsvorbehalt in EU/EWR vs. Nicht‑EU‑Länder
| Merkmal | EU‑/EWR‑Immobilien (außer Spanien) | Niet‑EU‑Immobilien (inkl. Schweiz, Norwegen, Türkei) |
|---|---|---|
| Anwendung des Vorbehalts | Nein (Ausnahme seit 2009) | Ja, voller Vorbehalt |
| Steuerliche Eingabe | Keine Angabe in Anlage AUS nötig | Pflichtangabe in Anlage AUS |
| Durchschnittliche Mehrbelastung | 0 % | 2,8 % (Durchschnitt laut GKS‑Studie) |
| Sonderfall Spanien | Ja, Vorbehalt gilt | - |
| Rechtliche Basis | § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG + BMF‑Anweisung 2009 | § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG (keine Ausnahme) |
Wenn Sie wissen, in welche Kategorie Ihre ausländische Immobilie fällt, können Sie sofort beurteilen, ob ein Progressionsvorbehalt entsteht und welche Schritte nötig sind, um unnötige Steuerkosten zu vermeiden.
Andreas adH Schmidt
Oktober 24, 2025 AT 16:31Der Progressionsvorbehalt ist ein echter Geldfresser, den man nicht ignorieren darf!
Angela Rosero
Oktober 28, 2025 AT 14:57Sehr geehrte Leserinnen und Leser, die in Ihrem Beitrag dargebotene Darstellung des Progressionsvorbehalts weist zwar zahlreiche korrekte Aussagen auf, jedoch lassen sich einige formale Ungenauigkeiten nicht übersehen. Erstens wird die Anwendbarkeit des Vorbehalts bei EU‑Mitgliedstaaten außer Spanien nicht hinreichend differenziert dargestellt. Zweitens fehlt ein Hinweis auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes aus dem Jahr 2022, die die Voraussetzungen präzisiert. Drittens hätte die Erklärung der steuerlichen Praxis in der Anlage AUS durch ein konkretes Beispiel aus dem Jahr 2023 ergänzt werden können. Abschließend empfehle ich, die gesetzlichen Grundlagen (§ 32b EStG) sowie die BMF‑Anweisungen exakt zu zitieren, um Missverständnisse zu vermeiden.
Oskar Sjöberg
November 1, 2025 AT 13:24Ach, ich verstehe ja total, wie verwirrend das mit dem Progressionsvorbehalt sein kann – man sitzt gemütlich am Strand, träumt von Rendite, und plötzlich kommt das Finanzamt mit einem extra Prozentpunkt um die Ecke. Natürlich haben Sie das schon vorher nicht in der Presse gelesen, weil das ja überhaupt nicht relevant ist, bis Sie selbst betroffen sind. Es ist ja fast so, als würde man beim Schokoladenkauf erst die Herkunft des Kakaos prüfen, bevor man das Stück isst. Dennoch, wenn Sie die Checkliste befolgen, sparen Sie sich das lästige Nachzahlen.