Photovoltaik und Speicher im Einfamilienhaus: So berechnen Sie Ihren tatsächlichen Autarkiegrad
Was ist eigentlich der Autarkiegrad?
Der Autarkiegrad sagt dir, wie viel von deinem gesamten Stromverbrauch du tatsächlich mit deiner eigenen Solaranlage decken kannst. Es ist nicht dasselbe wie die Eigenverbrauchsquote. Die Eigenverbrauchsquote fragt: Wie viel vom erzeugten Solarstrom nutze ich selbst? Der Autarkiegrad fragt: Wie viel von meinem gesamten Strombedarf komme ich ohne Netzstrom aus? Wenn du 4.000 kWh pro Jahr verbrauchst und 3.200 kWh davon aus deiner PV-Anlage und deinem Speicher holst, dann hast du einen Autarkiegrad von 80 %. Das bedeutet: Du bist zu 80 % unabhängig vom öffentlichen Netz.
Warum ist der Autarkiegrad wichtiger als die Eigenverbrauchsquote?
Viele Anbieter werben mit hohen Eigenverbrauchsquoten - oft über 70 %. Klingt gut, aber es sagt nichts über deine tatsächliche Unabhängigkeit. Ein Haus mit 10 kWp PV und keinem Speicher kann eine Eigenverbrauchsquote von 70 % haben, weil es viel Strom produziert. Aber wenn der Verbrauch 6.000 kWh pro Jahr beträgt, dann ist der Autarkiegrad nur 35 %. Du bleibst trotzdem zu zwei Dritteln vom Netz abhängig. Mit einem Speicher steigt die Eigenverbrauchsquote zwar auch, aber erst der Autarkiegrad zeigt dir, wie viel du wirklich sparen und wie unabhängig du wirst.
Wie berechnest du deinen Autarkiegrad? Die einfache Formel
Es ist nicht schwer. Du brauchst nur zwei Zahlen:
- Dein jährlicher Stromverbrauch in kWh (findest du auf deiner Stromrechnung oder im Zählerstand)
- Dein jährlicher Eigenverbrauch an Solarstrom in kWh (zeigt dir dein Wechselrichter oder die App deines Speichers an)
Dann rechnest du einfach:
Autarkiegrad (%) = (Eigenverbrauch / Gesamtverbrauch) × 100
Beispiel: Du verbrauchst 4.500 kWh pro Jahr. Dein System liefert dir 3.375 kWh Eigenverbrauch. Dann ist dein Autarkiegrad: (3.375 ÷ 4.500) × 100 = 75 %.
Was beeinflusst deinen Autarkiegrad? Drei entscheidende Faktoren
Nicht jede PV-Anlage bringt den gleichen Autarkiegrad. Es kommt auf drei Dinge an:
1. Die Größe deiner PV-Anlage
Pro 1.000 kWh Jahresverbrauch brauchst du etwa 1 kWp PV-Leistung. Bei 4.500 kWh Verbrauch solltest du also mindestens 4,5 kWp planen. Ein 8 kWp-System bringt mehr Ertrag, aber nur, wenn du den auch nutzen kannst. Mehr Leistung allein macht dich nicht unabhängiger - wenn du den Strom nicht verbrauchst, fließt er ins Netz, und du bekommst dafür nur die Einspeisevergütung, nicht den vollen Strompreis.
2. Die Größe deines Speichers
Ohne Speicher kannst du maximal 30-40 % deines Stroms selbst nutzen - meist nur tagsüber. Mit einem Speicher kannst du den Tagesspeicher nutzen, um abends und morgens zu versorgen. Die Faustregel: 1 kWh Speicherkapazität pro 1 kWp PV-Leistung. Also bei 8 kWp: 8 kWh Speicher. Eine vierköpfige Familie mit 4.500 kWh Verbrauch und morgendlichem/abendlichem Verbrauchsschwerpunkt braucht etwa 6-8 kWh. Größere Speicher (10-15 kWh) bringen kaum mehr Autarkie, aber deutlich höhere Kosten. Studien zeigen: Ab 8-10 kWh Speicher steigt der Autarkiegrad kaum noch - aber die Kosten ja.
3. Dein Verbrauchsverhalten
Das ist der größte Hebel, den du selbst hast. Wenn du Waschmaschine, Geschirrspüler oder Ladestation fürs E-Auto zwischen 11 Uhr und 15 Uhr laufen lässt, wenn die Sonne scheint, kannst du deinen Autarkiegrad um bis zu 15 Prozentpunkte steigern. Intelligente Steckdosen oder Energiemanagementsysteme, die Geräte automatisch in die Mittagsstunden schalten, helfen dabei. Wer seinen Stromverbrauch nicht anpasst, verschwendet die Chance, die PV-Anlage optimal zu nutzen.
Was ist realistisch? Die Grenzen der Technik
Es gibt eine Grenze. Selbst mit perfekter Anlage und Speicher kommst du nicht über 80-85 % Autarkiegrad. Warum? Der Winter. In den Monaten November bis Februar produziert deine Anlage nur 10-15 % des Sommerertrags. Selbst ein 12 kWh-Speicher kann nicht den gesamten Winterbedarf speichern. Die Energiespeicherung über Monate hinweg - also Sommerstrom für den Winter - ist mit heutigen Batterien technisch und wirtschaftlich unmöglich. Experten wie Professor Thomas Hamacher von der TU München bestätigen: Volle Autarkie für Einfamilienhäuser ist nicht machbar - und auch nicht sinnvoll. Das Netz ist dein saisonaler Puffer. Dein Ziel sollte nicht 100 % sein, sondern 70-80 %.
Praxisbeispiel: Ein echtes Einfamilienhaus
Ein Haus in Bayern mit 8 kWp PV, 10 kWh Speicher und 4.800 kWh Jahresverbrauch:
- Ertrag der PV-Anlage: 8.200 kWh/Jahr
- Eigenverbrauch ohne Speicher: 2.200 kWh → Autarkiegrad: 46 %
- Eigenverbrauch mit Speicher: 3.900 kWh → Autarkiegrad: 81 %
Doch: Im Winter (Dezember-Februar) sinkt der Autarkiegrad auf 40-45 %. Im Sommer (Juni-August) steigt er auf über 95 %. Das ist normal. Die App des Wechselrichters zeigt dir diese Schwankungen. Wer nur den Jahreswert sieht, versteht das System nicht.
Was kostet das? Kosten und Amortisation
Ein typisches System für ein Einfamilienhaus (8 kWp PV + 10 kWh Speicher) kostet heute brutto etwa 28.500 €. Die jährliche Einsparung liegt bei rund 1.200-1.500 € - je nach Strompreis. Bei 34 Cent pro kWh Eigenverbrauch (statt Netzstrom) und 3.500 kWh Eigenverbrauch ergibt das etwa 1.190 € Einsparung pro Jahr. Das bedeutet eine Amortisationszeit von 10-12 Jahren. Danach ist der Strom fast kostenlos - solange die Anlage läuft. Die Speicher haben eine Lebensdauer von 10-15 Jahren. Nach 12 Jahren musst du den Speicher ersetzen, aber die PV-Anlage läuft noch 15-20 Jahre weiter.
Was viele falsch machen - 3 häufige Fehler
Fehler 1: Zu großer Speicher
Wer einen 15 kWh-Speicher kauft, weil er „mehr Unabhängigkeit“ will, verschwendet Geld. Die Fraunhofer-Studie mit 500 Systemen zeigt: Systeme mit 8-10 kWh Speicher erreichen 65-75 % Autarkiegrad. Mit 12-15 kWh steigt der Wert nur auf 77-79 %. Die Kosten steigen aber um 30-40 %. Das lohnt sich nicht.
Fehler 2: Dachausrichtung ignorieren
Südausrichtung ist ideal. Ost-West liefert 15-20 % weniger Ertrag. Ein 8 kWp-System auf Ost-West-Dach produziert nur 6.500 kWh statt 8.200 kWh. Das senkt den Autarkiegrad um 10-15 Prozentpunkte. Wenn du kein Süddach hast, musst du mehr Leistung planen - oder dich mit geringerer Autarkie abfinden.
Fehler 3: Keine Wartung
Verschmutzte Module verlieren bis zu 15 % Ertrag. Regen reicht nicht. Einmal jährlich reinigen - besonders bei Staub, Pollen oder Vogelkot - ist wichtig. Einige Nutzer berichten, dass nach einer Reinigung die Eigenverbrauchsquote plötzlich um 8 % stieg. Das ist kein Wunder - es war einfach Schmutz, der den Strom blockierte.
Die Zukunft: Was kommt noch?
Die Technik entwickelt sich. Festkörperbatterien ab 2027 könnten die Speicherdichte verdoppeln - also mehr Kapazität auf kleinerer Fläche. Intelligente Systeme, die Wärmepumpen, Wallboxen und Geräte automatisch steuern, erhöhen den Autarkiegrad um bis zu 8 %. Bis 2030 prognostizieren Forscher einen Durchschnittsautarkiegrad von 85-90 %. Aber: Auch dann bleibt das Netz nötig. Es geht nicht um Vollunabhängigkeit - sondern um intelligente, kostengünstige Eigenversorgung.
Was du jetzt tun kannst
1. Hole dir deine letzten 12 Monate Stromrechnung - notiere den Gesamtverbrauch.
2. Nutze den Unabhängigkeitsrechner der HTW Berlin - er ist kostenlos, verständlich und basiert auf echten Messdaten.
3. Schau dir dein Verbrauchsverhalten an: Wann läuft die Waschmaschine? Kannst du sie auf Mittag verschieben?
4. Lass dich von einem unabhängigen Experten beraten - nicht vom Verkäufer, der nur Speicher verkaufen will.
5. Plane realistisch: 70-80 % Autarkiegrad ist ein großer Erfolg. 100 % ist ein Marketingversprechen.