Liquiditätsplanung für Renovierungsprojekte: So planen Sie Abschläge, Abschätzungen und Reserven richtig

Liquiditätsplanung für Renovierungsprojekte: So planen Sie Abschläge, Abschätzungen und Reserven richtig
9 November 2025 0 Kommentare Ronny Gunnarsson

Warum Ihre Renovierung ohne Liquiditätsplanung scheitern kann

Ein Renovierungsprojekt klingt oft wie eine einfache Sache: Wand streichen, neue Küche einbauen, Boden tauschen. Doch hinter der Oberfläche verstecken sich oft versteckte Schäden, unerwartete Statikprobleme oder Baumaterialien, die teurer werden als geplant. In Deutschland werden heute schon über 40% aller Bauvorhaben Renovierungen - und fast jedes zweite läuft über dem Budget. Der Grund? Meistens liegt es nicht an schlechten Architekten oder faulen Handwerkern, sondern an einer fehlenden Liquiditätsplanung.

Es geht nicht darum, wie viel Geld Sie insgesamt haben. Es geht darum, wann das Geld da ist - und wann es gebraucht wird. Wenn Sie im dritten Monat plötzlich 50.000 Euro für eine neue Dachkonstruktion brauchen, aber erst in sechs Wochen die nächste Bauförderung bekommen, dann haben Sie ein Problem. Und das Problem heißt: Liquiditätsengpass. Kein Bankkredit rettet Sie, wenn Sie nicht rechtzeitig sehen, dass das Geld nicht fließt.

Was ist Liquiditätsplanung - und warum ist sie anders als ein Budget?

Ein Budget sagt Ihnen: „Ich gebe 150.000 Euro aus.“ Eine Liquiditätsplanung sagt: „Ich brauche 20.000 Euro am 15. März, 35.000 Euro am 10. April, und erst am 1. Juni kommt wieder Geld rein.“

Bei Neubauten können Sie die Kosten oft genau kalkulieren: 100 Quadratmeter, 2.500 Euro pro Quadratmeter, fertig. Bei Renovierungen ist das unmöglich. Ein altes Haus kann unter der Tapete versteckte Feuchteschäden haben, die Sie erst sehen, wenn die Wand ab ist. Ein Dachbalken, der nicht mehr trägt, kostet plötzlich 40.000 Euro mehr. Das kann kein Budget vorhersehen. Aber eine Liquiditätsplanung kann es abfedern - wenn sie richtig gemacht ist.

Die beste Methode für Renovierungen ist die direkte Liquiditätsplanung. Sie schaut nicht auf Gewinne oder Verluste, sondern auf echtes Geld, das ein- und ausgeht. Sie verfolgt jeden Euro: Gehaltszahlungen, Materialbestellungen, Rechnungen, Bauförderungen, Abschläge vom Bauherren. Und sie macht das wöchentlich - nicht monatlich. Denn bei Renovierungen ändert sich alles schnell.

Die drei Säulen: Abschläge, Abschätzungen, Reserven

Alle guten Liquiditätspläne für Renovierungen basieren auf drei Säulen: Abschläge, Abschätzungen und Reserven. Ohne alle drei läuft das Projekt in die roten Zahlen.

Abschläge: Wie und wann zahlen Sie die Handwerker?

Nach der VOB/B (Verdingungsordnung für Bauleistungen) dürfen Sie als Bauherr die Zahlungen nur in Teilbeträgen leisten - meist nach Meilensteinen. Das ist gut. Es schützt Sie. Aber viele machen den Fehler: Sie zahlen zu früh oder zu spät.

Typische Abschlagsphasen bei Renovierungen:

  • Rohbau abgeschlossen (Tragwerke, Wände, Dach)
  • Ausbau begonnen (Fenster, Türen, Elektro, Sanitär)
  • Feinarbeiten (Fliesen, Estrich, Malerarbeiten)
  • Fertigstellung und Abnahme

Ein guter Plan legt fest: „Nach Abnahme des Rohbaus zahle ich 30% des Gesamtbudgets.“ Aber Achtung: Das ist kein festes Budget. Es ist eine Zahlungsbereitschaft. Wenn der Rohbau 10.000 Euro mehr kostet als geplant, dann zahlen Sie 30% von 160.000 Euro - nicht von 150.000. Das muss in der Liquiditätsplanung mitdrin sein.

Abschätzungen: Warum Ihre Schätzungen falsch sind - und was Sie dagegen tun

Stellen Sie sich vor: Ein Architekt schätzt die Kosten für eine neue Dachkonstruktion auf 60.000 Euro. Sie planen das. Aber dann finden Sie heraus: Der Dachstuhl ist 80 Jahre alt, die Sparren sind verrottet, und die Statik muss komplett neu berechnet werden. Die Kosten steigen auf 110.000 Euro.

Das ist kein Einzelfall. In 7 von 10 Renovierungsprojekten liegen die tatsächlichen Kosten mindestens 15% über der ersten Schätzung. Warum? Weil die meisten Schätzungen auf Idealbedingungen basieren - nicht auf Realität.

Was tun?

  • Verwenden Sie nicht die Schätzung Ihres Architekten als Basis. Nutzen Sie Erfahrungswerte aus ähnlichen Projekten.
  • Rechnen Sie für jede Position 10-15% mehr ein - auch wenn es „nur“ eine neue Toilette ist.
  • Verwenden Sie die direkte Methode: Schauen Sie nicht auf die Kostenliste, sondern auf die Zahlungsdaten. Wann muss das Geld da sein? Wann kommt es rein?

Die Genauigkeit der direkten Liquiditätsplanung liegt bei kurzfristigen Prognosen (bis zu drei Monaten) bei 90-95%. Bei längerfristigen Prognosen sinkt sie auf 60-70%. Das bedeutet: Sie brauchen eine Planung, die Sie jede Woche anpassen.

Reserven: Die Lebensversicherung Ihres Projekts

Wenn Sie nur 5% Reserve einplanen, dann ist Ihr Projekt schon beim ersten versteckten Schaden am Ende. Experten empfehlen mindestens 10-15% des Gesamtbudgets als Reserve. Bei historischen Gebäuden, Denkmälern oder Altbauten mit unbekannter Bausubstanz: 20-25%.

Ein Architekt aus Berlin berichtet: „Bei unserem letzten Denkmalprojekt sind unerwartete Statikprobleme aufgetreten - 150.000 Euro Zusatzkosten. Dank unserer 20%igen Reserve konnten wir das Projekt retten.“

Wichtig: Die Reserve ist kein „Sparengeld für einen neuen Fernseher“. Sie ist eine Notreserve für echte Notfälle. Und sie muss auf einem separaten Konto liegen - nicht auf dem gleichen Konto wie die monatlichen Ausgaben. Sonst wird sie schnell „vergessen“ - und dann ist sie weg.

Transparenzansicht eines renovierten Altbauhauses mit verborgenen Schäden und Geldfluss-Pfeilen

Wie Sie den Liquiditätsplan erstellen - Schritt für Schritt

Keine Software, keine komplizierten Formeln. Sie brauchen nur drei Dinge: Ihre Kontostände, eine Liste aller geplanten Zahlungen, und die Bereitschaft, jeden Montag 20 Minuten dafür zu investieren.

  1. Startwert festlegen: Schauen Sie auf Ihren aktuellen Kontostand aller Geschäftskonten - inklusive Sparkonten, die Sie für das Projekt reserviert haben. Das ist Ihr Startpunkt.
  2. Alle Einzahlungen auflisten: Bauförderung, Kreditauszahlungen, Eigenmittel, Rückzahlungen von Dritten. Geben Sie exakte Termine an. „Bauförderung 10.000 Euro am 12. April“ - nicht „irgendwann im Frühjahr“.
  3. Alle Auszahlungen auflisten: Jede Rechnung, jede Bestellung, jeder Abschlag. Verwenden Sie die Meilensteine aus der VOB/B. Tragen Sie ein: „Rohbauabnahme - 30% von 150.000 = 45.000 Euro - Zahlung am 20. März“.
  4. Reserven einbauen: Addieren Sie 15% der Gesamtkosten als Reserve - und schreiben Sie sie als „nicht gebundene Reserve“ auf ein separates Feld.
  5. Wöchentlich aktualisieren: Jeden Montag: Schauen Sie, was tatsächlich bezahlt wurde. Was wurde nicht bezahlt? Was ist neu dazugekommen? Passen Sie den Plan an. Wenn eine Rechnung 20.000 Euro statt 15.000 Euro kostet, dann ziehen Sie 5.000 Euro von der Reserve ab. Und schreiben Sie das in den Plan.

Keine Excel-Tabelle mit 20 Spalten nötig. Ein einfaches Dokument mit Datum, Einzahlung, Auszahlung, Saldo, Reserve - das reicht. Wichtig ist nur: Es muss aktuell sein.

Warum manuelle Planung mit Excel oft scheitert

Vielleicht haben Sie schon mal versucht, einen Liquiditätsplan in Excel zu erstellen. Sie haben Spalten für „Rechnungen“, „Zahlungen“, „Kontostand“ gemacht. Und dann? Sie haben vergessen, eine Rechnung einzutragen. Oder Sie haben den falschen Betrag eingetragen. Oder Sie haben die Reserve nicht abgezogen, als sie gebraucht wurde.

Das ist der Hauptgrund, warum 60% der Renovierungsprojekte über dem Budget landen. Nicht weil die Handwerker zu teuer sind - sondern weil der Plan nicht mehr stimmt.

Professionelle Tools wie KOBOLD CONTROL oder Agicap integrieren die HOAI-Struktur, verknüpfen Rechnungen mit Leistungsphasen und warnen automatisch, wenn die Reserve unter 5% fällt. Die Lernkurve beträgt 2-4 Wochen. Aber selbst ein einfacher, wöchentlich aktualisierter Plan aus Excel ist besser als gar keiner.

Digitale Darstellung der drei Säulen der Liquiditätsplanung mit warnenden Lichtern und Reserve-Abfall

Was passiert, wenn Sie die Liquiditätsplanung ignorieren?

Ein Bauunternehmer aus München schreibt auf Reddit: „Wir haben bei einem Projekt die versteckten Leitungen unterschätzt. Die Kosten sind um 30% über das Budget gegangen. Die Bank hat die weitere Finanzierung gestoppt - bis wir zusätzliche Sicherheiten gestellt haben.“

Das ist kein Einzelfall. Wenn die Liquidität kippt, dann:

  • Die Handwerker hören auf zu arbeiten - weil sie nicht bezahlt werden.
  • Die Bank stoppt die Kreditauszahlung - weil das Projekt als risikoreich gilt.
  • Die Baugenehmigung wird nicht verlängert - weil die Finanzierung nicht nachgewiesen werden kann.
  • Und am Ende: Sie verlieren das Geld, das Sie schon eingezahlt haben.

Es ist kein Problem der Baufirma. Es ist ein Problem der Planung. Und es ist vermeidbar.

Die Zukunft: Digitalisierung und KI in der Liquiditätsplanung

2023 hat KOBOLD CONTROL eine neue Funktion eingeführt: automatische Abweichungs-erkennung. Wenn eine Ausgabe 10% über dem Plan liegt, warnt das System - und zeigt an, ob die Reserve greift.

Agicap hat eine Lösung für das Bauwesen entwickelt, die die HOAI-Struktur direkt in den Plan integriert. Und Gartner prognostiziert: Bis 2027 werden KI-Modelle die Wahrscheinlichkeit von Kostenüberschreitungen bei bestimmten Renovierungstypen berechnen - basierend auf Tausenden von Projektdaten.

Das bedeutet: Die Zukunft gehört nicht dem, der am meisten weiß, sondern dem, der am schnellsten reagiert. Und das geht nur mit einer Live-Liquiditätsplanung - nicht mit einem alten Budget, das seit Januar unverändert auf dem Schreibtisch liegt.

Was Sie jetzt tun müssen

Wenn Sie gerade ein Renovierungsprojekt planen oder gerade starten:

  • Erstellen Sie heute noch einen einfachen Liquiditätsplan - mit Startsaldo, Einzahlungen, Auszahlungen, Reserve.
  • Setzen Sie die Reserve auf mindestens 15% - bei Altbauten auf 20%.
  • Planen Sie wöchentliche Updates - nicht monatlich.
  • Verwenden Sie keine Schätzwerte als feste Zahlen. Nutzen Sie Erfahrungswerte aus realen Projekten.
  • Halten Sie die Reserve auf einem separaten Konto - und greifen Sie nur ein, wenn es wirklich nötig ist.

Ein Renovierungsprojekt ist kein Malerjob. Es ist eine komplexe Finanzoperation - mit vielen unbekannten Faktoren. Wer die Liquiditätsplanung vernachlässigt, zahlt am Ende doppelt: mit Geld und mit Nerven.